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So bleibt digitale BürgerInnenbeteiligung konstruktiv - und die Trolle draußen


Sticker saying "post no hate"

In den letzten 5 Jahren haben wir mit unzähligen Ministern, Bürgermeistern, Angestellten im öffentlichen Dienst und CEOs von großen Organisationen über digitale BürgerInnenbeteiligung gesprochen. Und es gibt eine Frage, die fast immer kommt: Wie gehen wir mit den unkonstruktiven Beiträgen und Hasskommentaren um?


Und diese Frage stellen diese Menschen zu Recht. Jeder von uns hat schon miterlebt, wie destruktiv und bösartig Online-Diskussionen werden können. Egal ob auf Facebook, Twitter oder in Kommentarspalten auf Nachrichtenseiten.


Warum sollte das bei digitaler BürgerInnenbeteiligung anders sein? Immerhin geht es häufig um Themen, die durchaus emotional werden können. Wir haben beispielsweise in der Vergangenheit unter anderem die Themen Klimawandel und Schulbildung begleitet.

Die Angst, dass Diskussionen bei Beteiligungsprojekten außer Kontrolle geraten, ist also absolut nachvollziehbar..


Keine Angst vor digitaler BürgerInnenbeteiligung


Aber diese Angst sollte niemanden davon abhalten, digitale BürgerInnenbeteiligung umzusetzen. Denn so nachvollziehbar die Angst ist, so unbegründet ist sie. Wenn man einige Regeln beachtet. Es gibt Tricks und Mechanismen, die dafür sorgen, dass eine Diskussion konstruktiv bleibt und zu sichtbaren Ergebnissen führt. Und wir sprechen hier nicht über rigorose Zensur.


Wir bei Civocracy sind mit unserem Ansatz dazu sehr erfolgreich. Auf unserer Plattform müssen unter 0,1% aller Beiträge moderiert werden weil sie nicht den Richtlinien entsprechen. Und von diesen 0,1% verstoßen die Mehrzahl der Beiträge gegen die Regeln weil sie Werbung enthalten. Ein Problem mit destruktiven oder sogar Hass-Postings haben wir nicht.


Wir haben in den letzten Jahren eine Guideine für eine konstruktive Debatte auf digitalen BürgerInnenbeteiligungsplattformen entwickelt, die jeder beachten sollte, der ein Beteiligungsprojekt aufsetzt.


Diese Guideline teilt sich in zwei Bereiche


1. Die Technologie - das Design der Plattform und ihre Funktionen


Eine sinnvolle Plattform für digitale BürgerInnenbeteiligung sollte Funktionen mitbringen, die User dazu bringt, konstruktiv mitzuarbeiten. Dazu gehören:


Ein intelligenter Sortier-Mechanismus. Wenn die User immer den neuesten Beitrag sehen oder den am heißesten diskutierten, werden Anreize gesetzt möglichst viel und möglichst kontrovers beizutragen. Besser ist es, wenn die Möglichkeit besteht, einen Beitrag als konstruktiv zu markieren oder zu liken und die am häufigsten markierten Beiträge ganz oben stehen. So werden konstruktive Kommentare belohnt und gefördert.


Belohnung für konstruktive Ideen - Überlegen Sie sich, eine Belohnung für besonders nützliche Beiträge. Damit ist kein materielles Geschenk gemeint. Vielleicht reicht auch einfach das mögliche Erreichen eines neuen Levels für den Nutzer. Das passiert zum Beispiel in Monheim am Rhein. Hier können alle Bürger Ideen einreichen aber nur wenn die Idee 50 Upvotes erhält, kann über die Idee diskutiert werden. Sie erreicht gewissermaßen das nächste Level. Nur wer konstruktiv argumentiert, wird die 50 benötigten Unterstützer finden.




Kein Dislike Button - Eine gute digitale BürgerInnenbeteiligungsplattform hat einen Like-Button aber keinen Dislike-Button. Der Mechanismus dahinter: Zustimmung soll so leicht wie möglich gemacht werden. Ablehnung ist natürlich auch erlaubt und erwünscht aber diese muss begründet werden. Dieser Zwang zur Begründung sorgt für konstruktive Beiträge.


Für Überblick sorgen - Besonders wenn eine Diskussion an Fahrt aufnimmt, passiert es leicht, dass die User den Überblick verlieren. Für eine konstruktive Diskussion ist es aber entscheidend, dass jeder Teilnehmer die Argumente mitverfolgen kann. Eine gute Plattform für digitale BürgerInnenbeteiligung hilft den Nutzern dabei. Auf der Civocracy Plattform können hierfür sogenannte “Highlights” gesetzt werden. Das bedeutet, dass bestimmte Abschnitte in den Beiträgen als “Idee” oder “Problem” markiert werden können. Diese Markierung ist für alle Nutzer sichtbar und so werden die essentiellen Punkte auch aus längeren Beiträgen für jeden Nutzer leicht zugänglich.


Information nach vorne - Dieser Punkt könnte im ersten Moment unlogisch klingen: machen sie es den Nutzern nicht zu einfach, Beiträge zu schreiben. Natürlich ist Barrierefreiheit ein extrem wichtiger Punkt. Login und Teilnahme sollte so einfach wie möglich sein. Gleichzeitig ist nur eine informierte Debatte eine gute Debatte. Deswegen schalten wir vor die Diskussionsseite eine Informationsseite. Bevor der User etwas posten kann, sieht er also immer die wichtigsten Informationen. Zusätzlich muss jeder Beitrag mit einer Überschrift versehen werden. Wer wirklich nur seinem Ärger freien Lauf lassen will, dem ist das schon zu viel Aufwand. Eine Balance zwischen einfacher Teilnahme aber bestimmter Regeln in puncto Beiträge ist hier der Schlüssel zum Erfolg.


2. Der Mensch - Rahmenbedingungen für konstruktiven Dialog


Hier geht es um das Verhalten der Regierung/ der Verwaltung gegenüber ihren BürgerInnen auf der Plattform. Das übergeordnete Thema hier heißt Augenhöhe. Zeigen Sie, dass Sie Ihre BürgerInnen respektieren und ernst nehmen. Im Gegenzug werden diese konstruktive Beiträge liefern.


Und auch wenn sich das vielleicht erst einmal anders anhört, der zeitliche Aufwand für diese Punkte ist relativ gering. Mehr als drei Stunden die Woche müssen im Durchschnitt nicht investiert werden.


Machen Sie von Beginn an klar, worum es geht. - Die Regierung muss gleich zu Beginn transparent machen, worum es bei dem Beteiligungsprojekt geht und bei welchen Aspekten sie sich Beteiligung der Bürger erhofft. Sie muss aber auch klar sagen, was vielleicht schon feststeht und entsprechend nicht mehr diskutiert werden kann. So wissen die BürgerInnen genau, wo sie unterstützen können. In einer Konsultation, die wir mit der Stadt Lyon gestartet haben, ging es beispielsweise Klimawandel. Die Verwaltung hat auf der Plattform klar kommuniziert, dass sie sich konstruktive stadtplanerische Ideen zu genau diesem Thema wünscht, die sie dann in der Entscheidung berücksichtigen wird.


Erstellen Sie einen verbindlichen Prozess, teilen Sie ihn mit und halten Sie sich daran Machen Sie einen verständlichen Prozess mit konkreten Daten zugänglich. Das heißt, der Nutzer muss sehen, wann das Projekt beginnt, wie lange die Diskussionen laufen, wann über Ergebnisse informiert wird, was mit den Ergebnissen konkret gemacht wird etc. Das gilt nicht nur am Anfang des Projektes. Sollte sich am Prozess etwas ändern (und das tut es fast immer), müssen die User sofort transparent darüber informiert werden. Wenn die BürgerInnen nicht wissen, in welchem Prozessschritt sie sich gerade befinden und wie lange dieser noch dauert, erzeugt das berechtigte Frustration. Aber auch die Verwaltung profitiert von einem klaren Prozess. Sie haben konkrete Deadlines und verlieren nie den Überblick.


Bleiben Sie im Gespräch mit den BürgerInnen - Wenn die BürgerInnen Fragen haben, sollte die Regierung diese auch beantworten. Wenn der/die ModeratorIn die Antwort auf eine Frage nicht weiß oder sich absichern muss, ist das kein Problem solange er/sie genau das auch schreibt und gleichzeitig darüber informiert, wann die BürgerInnen mit einer Antwort rechnen können. Die BürgerInnen müssen merken, dass die Regierung Ihnen zuhört und sie ernst nimmt. Und das funktioniert nur über eine beidseitige Kommunikation.


Kommunizieren Sie verständlich - Zuletzt ist die Art der Kommunikation extrem wichtig. Die wenigsten BürgerInnen beherrschen Amtsdeutsch. Abkürzungen und Paragraphen, die in der Verwaltung häufig exzessiv genutzt werden, sind Hoheitswissen. Sie zu verwenden bedeutet, einen Großteil der BürgerInnen aus der Diskussion auszuschließen. Nutzen Sie allgemein verständliche Sprache. Denken Sie an Ihre Eltern, Kinder oder jemand anderen aus ihrem Umfeld, der mit der Verwaltung nichts zu tun hat. Wie würden Sie es dieser Person erklären?


Bleiben Sie authentisch - In der Theorie und im Plan sehen Projekte immer sehr einfach aus. Die Realität ist oft komplexer. Es wird auch in Ihrem BürgerInnenbeteiligungsprojekt Dinge geben, die Sie so nicht geplant haben. Wichtig ist, dass Sie offen damit umgehen. Auch in der Verwaltung arbeiten nur Menschen. Und Menschen machen Fehler. So lange Sie kein Geheimnis daraus machen und aus den Fehlern lernen werden die BürgerInnen dies als gemeinsamen Lernprozess verstehen. Im besten Fall schaffen sie es so sogar, gestärkt aus einem Rückschlag hervorzugehen.


Legen wir los


Wir glauben, dass die skizzierten Punkte dafür sorgen, dass die Ängste vor einer unkontrollierten Diskussion voller destruktiver Beiträge unbegründet bleibt. Unsere Erfahrung gibt uns bisher Recht.


Aber natürlich werden auch wir uns in Zukunft an Ergebnissen messen lassen müssen. Nur wenn wir es schaffen, unsere Diskussionen auch weiterhin so konstruktiv zu gestalten wie bisher, werden wir mit unseren Partnern auch in Zukunft echt wirksame BürgerInnenbeteiligung umsetzen können.


Und deswegen arbeiten wir auch weiterhin an Funktionen auf der Plattform, die konstruktives Verhalten belohnen.


So wird es bald Auszeichnungen (sogenannte Badges) für die konstruktivsten Nutzer geben auch denken wir über eine besonders spielerische Möglichkeit nach, unser Bürgerbudget Modul noch attraktiver zu machen. Aber dazu mehr, wenn es konkret wird.


Und wir werden uns auch weiterhin inspirieren lassen. Von der Verhaltensforschung allgemein und von konkreten Untersuchungen. Wie zum Beispiel der Implementierung von Nudging-Elementen in der britischen Verwaltung, über die vor kurzem berichtet wurde (Apolitical).


Wenn Sie sich für dieses Thema konstruktive BürgerInnenbeteiligung interessieren oder sogar dabei sind, ein Beteiligungsprojekt aufzusetzen, schreiben Sie einfach jetzt eine kurze Mail an roland@civocracy.org und lassen Sie uns darüber sprechen.

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